Pflegesituation fern der Hochglanzprospekte
Staatssekretär Karl-Josef Laumann hört einer Delegation von „Pflege am Boden“ zu„Wir haben keinen Bedarf an Erkenntnissen, die sind hinreichend belegt. Es besteht Handlungsbedarf“, sagt Kay Hoppe, Initiator des Straubinger Smartmobs „Pflege am Boden“. Vergangene Woche war er in Berlin. MdB Alois Rainer hatte ihm mit sechs weiteren Vertretern der bundesweiten Bewegung „Pflege am Boden“ ein Gespräch mit Karl-Josef Laumann vermittelt, Staatssekretär mit einem sehr sperrigen Titel: Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege.Kay Hoppe ist mittlerweile schon mehrfach Politikern gegenübergesessen, im vergangenen Jahr unter anderem der bayerischen Gesundheitsministerin Melanie Huml. Und beim monatlichen Smartmob, erzählt er, ließen sich immer wieder Stadträte und dann und wann die beiden Landtagsabgeordneten Hans Ritt und Josef Zellmeier und MdB Alois Rainer sehen. Über das Zusammentreffen mit Karl-Josef Laumann sagt er, der Staatssekretär kenne die Probleme und wirke glaubwürdig. „Er hat nicht rumgeeiert“, so sein Eindruck. Er habe wenig versprochen, aber seinen Einsatz zugesichert.
Eine Trendwende erwartet haben Hoppe und seine Mitstreiter – professionell Pflegende, pflegende Angehörige, Pflegeschüler – nicht. Laumann habe seine eigenen Grenzen aufgezeigt. Manches sei nun mal Ländersache und manches schlicht Sache der Träger. Er sagte, er werde seinen Beitrag dazu leisten, dass in Kürze der Pflege-TÜV abgeschafft werde, die sich in keiner Weise bewährte Benotung für Heime. Benotet werde nur die exakte Dokumentation, spitzt Hoppe zu, nicht die wirkliche Qualität einer Einrichtung. Eingeführt worden sei der Pflege-TÜV jedoch von der Politik, die dann ihr Versagen einräumen müsste.
Einheitliche Lobby gefordertLaumann hat die Vertreter der Pflegeseite aufgefordert, eine einheitliche starke Lobby zu bilden. Das sei jedoch schwierig, sagt Hoppe. Schließlich seien nur zehn Prozent der Pflegenden überhaupt organisiert. Die in Bayern angedachte Pflegekammer, sagt er, sei nicht im Sinne privater Träger, für die Pflegende oft nur als Kostenfaktor und damit Einsparpotential angesehen würden. Das haben die Vertreter von „Pflege am Boden“ dem Staatssekretär vermittelt. Und wenn Gesundheitsminister Hermann Gröhe 30 000 zusätzliche Kräfte in der Pflege verspreche, müsse man genau hinschauen, denn das seien Betreuer, um dem Tag Struktur zu geben, nicht Pflegefachkräfte.
Viel wichtiger als teure Kampagnen zur Anwerbung von Auszubildenden in der Pflege ist in Hoppes Augen, die vorhandenen Pflegekräfte mit ihrer wertvollen Erfahrung im Beruf zu halten. Viele stiegen schon nach wenigen Jahren aus, weil sie den Kostendruck und die Arbeitsbelastung nicht mehr stemmen könnten. „Hochmotivierte Leute werden so in die Teilzeit gedrängt.“ Allein schon aufgrund der Demografie könne der künftige Bedarf aber nicht nur durch Berufsnachwuchs gedeckt werden, macht er deutlich.
Wer pflegt in Zukunft?Die gelegentlichen Würdigungen von politischer Seite für pflegende Angehörige seien zu wenig, denn schon heute seien 36 Prozent Singlehaushalte. Wer werde in Zukunft pflegen? Und diejenigen, die es täten, seien vielfach auf Hartz IV angewiesen und mit Altersarmut konfrontiert, weil sie keine angemessene Rente ansammeln konnten. Überdies kämen auf Pflegebedürftige immer höhere Eigenbeteiligungen zu und sie müssten mit einem kleinen Taschengeld auskommen.
Da ist Hoppe schon mittendrin in den vielen Sorgen all jener, die mit Pflege zu tun haben. Er selber ist 30 Jahre im Beruf und mag ihn noch immer. Und er hat auch nicht die Energie verloren, die gemeinsamen Sorgen auszusprechen und öffentlich zu machen. Es sei tatsächlich schon fünf nach zwölf, aber vielleicht, so meint er, könne man den Zeiger der Uhr für die Pflege wenigstens wieder auf fünf vor zwölf zurückdrehen. Der Smartmob „Pflege am Boden“ sei eine gute Möglichkeit, Politikern zu begegnen und mit ihnen darüber zu sprechen, wo der Schuh drückt. Für Politiker sei es zugegeben ungewohnt, Menschen als Gegenüber zu haben, die nur um der Sache willen, nicht wegen persönlicher Befindlichkeiten, Lobbyarbeit machten. Deshalb freut ihn am meisten, dass es in Straubing schon seit 18 Monaten die Bewegung „Pflege am Boden“ gibt, die jeden zweiten Samstag im Monat am Stadtplatz zusammenkommt. Kontinuität sei wichtig, um wahrgenommen zu werden. „Man kann was bewegen“, ist er überzeugt.
Zwischen 25 und 80 Menschen, bisher insgesamt 800 – ganz unterschiedliche von professionell Pflegenden bis zu Pflegebedürftigen im Rollstuhl und Angehörige – treffen sich einmal monatlich und legen sich vor dem Rathaustor auf den Boden. Sprichwörtlich. Aber, darauf legt Hoppe Wert, „wir stehen auch wieder auf“. Und darauf kommt es an. -mon-
Quelle: Straubinger Tagblatt | Straubinger Rundschau | 25.03.2015